Das eigene Land entdecken
Student Nelson Paco Chipana hatte in seiner Kindheit keine Möglichkeiten, mit seinen Eltern Peru zu bereisen. So waren Schulreisen eine grosse Chance, das eigene Land zu entdecken.
Nelson Paco Chipana und seine Schwester Margot erhalten finanzielle Unterstützung der Stiftung Conrado Kretz, damit sie ein Studium absolvieren können. Sie berichten monatlich aus Peru.
In meinem Land gibt es vier Bildungsstufen, die Erstausbildung (Kindergarten, obligatorisch), die Primarschule (6 Jahre, obligatorisch), die Sekundarschule (5 Jahre, obligatorisch) und die höhere Schule. Es ist Brauch, am Ende der Primar- und Sekundarschule eine Reise mit der Klasse zu machen. Bei dieser Gelegenheit schreibe ich gerne über meine Promotionsreise nach der Sekundarschule. Wir fuhren nach Ancash, wo es beeindruckende Sehenswürdigkeiten zur Chavin-Kultur gibt.
Noch nie auf dem Machu Picchu
Ich habe meine Sekundarschule in Juliaca absolviert. Als ich im fünften Jahr der Sekundarschule war, haben wir entschieden, für die Abschlussreise nach Ancash zu reisen, weil die Mehrheit der Schüler in der Primarschule schon in Cusco war. Auch wenn ich damals nach der Primarschule ebenfalls nach Cusco gereist bin, war ich noch nie auf dem Machu Picchu. Bis heute kenne ich dieses peruanische Weltwunder nicht. Eines Tages werde ich hingehen.
Der Geschichtsunterricht wird real
Wir reisten mit dem Bus, zuerst nach Lima und von dort nach Ancash. Die Reise dauerte rund 25 Stunden, es war die längste Reise, die ich je gemacht hatte. Auf dem Weg von Juliaca nach Lima haben wir Nazca passiert, den Ort der berühmten Nazca-Linien. Ich konnte sie allerdings nicht sehen. Aber allein das Wissen, so nahe an einem solch berühmten, touristischen Ort wie den Nazca-Linien zu sein, machte mich glücklich. Es war auch das erste Mal, das ich in der Hauptstadt Lima war. Schon vor der Ankunft in Ancash war ich sehr aufgeregt, und als wir in Huaraz (Hauptstadt von Ancash) ankamen, war ich einfach nur fasziniert, weil wir den berühmten Gletscher von Huascarán sehen konnten. Am ersten Tag machten wir einige wenige Erkundungen in der Stadt, um uns von der langen Reise zu erholen.
Am zweiten Tag brachen wir auf, um einige touristische Orte anzusehen, unter ihnen die berühmte „Cabeza Clava“ im Chavin-Tempel von Huantar. Ich kann mich erinnern, dass wir auf dem Weg dorthin durch das majestätische Callejon de Huaylas (ein Gebirgstal) gefahren sind. Alles war grün, weil der Fluss Santa durch das Tal fliesst. Auch wenn ich den Ort nur flüchtig durch die Fensterscheiben des Autos gesehen habe, habe ich jeden Moment genossen. Als wir dann beim Chavin-Tempel angekommen sind, habe ich mir gesagt „Wow, einfach genial!“. Bis jetzt hatte ich diesen Ort nur auf Papier gesehen, auf Blättern, um die Geschichtshausaufgaben für die Schule zu machen.
Nichts anfassen im Tempel
Als wir im Tempel waren, gingen wir das aus meiner Sicht Berühmteste und Spektakulärste dieses Ortes anschauen: La Cabeza Clava. Ich kann mich erinnern, dass ich gedacht hatte, diese Köpfe befänden sich auf Augenhöhe, aber nein: Sie waren hoch oben und ich konnte sie nicht berühren. Ich hatte auch gedacht, dass es mehrere solche Köpfe gäbe, aber es hatte nur einen. Ich kann mich nicht mehr ganz gut erinnern, aber ich glaube, die anderen hatten sie für Wartungsarbeiten herausgenommen. Ein anderes Monument war der Lanzón Monolítico, das ist ein grosser Stein im Tempel, der allerdings hinter einer Glasscheibe lag. Ich kann mich erinnern, dass sie mir gesagt haben, dass man ihn früher berühren konnte, aber eine Gruppe hatte den Stein bemalt, seither durfte man nicht mehr so nahe an ihn ran. Es hatte noch mehr spannende Sachen im Tempel, aber heute kann ich mich nicht mehr sehr gut daran erinnern. Der Ausflug dauerte auf jeden Fall einen ganzen Tag.
Die Schönheit der Natur
Am nächsten Tag gingen wir zum Pastoruri-Gletscher und besuchten einige berühmte Seen der Region. Zum Pastoruri-Gletscher mussten wir ungefähr eine Stunde zu Fuss laufen. Es war eine der schwierigsten Wanderungen, die ich je gemacht hatte, da das Wetter nicht gerade freundlich war. Ich erinnere mich, dass es schneite, es war kalt und ich war auch noch ein bisschen krank. Es war eine harte Strecke, aber es hat sich gelohnt: Der Gletscher war schön! Wir erfuhren, dass er früher noch viel schöner war, aber sich durch den Klimawandel stark verändert hatte. Anschliessend gingen wir an die Laguna 69, einen Bergsee. Hier habe ich gemerkt, dass ich gar nichts von meinem eigenen Land kannte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir in unserem Land solch schillernde, strahlende, majestätische Landschaften haben. Dieser Anblick machte mir klar, dass man in den einfachen Dingen, die einfach von Natur aus da sind, mehr Friede und Erholung finden kann als zum Beispiel am Fernsehen oder im Kino. Diese entspannen auch, aber sie sind nicht vergleichbar mit dieser majestätischen Landschaft und der reinen Luft. Es war wirklich eine geniale Reise und ich habe viele gute Erfahrungen mit meinen Klassenkameraden gemacht. Wir hätten noch viele weitere Orte besichtigen wollen, aber es blieb uns leider keine Zeit, die Reise dauerte nur drei Tage.